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Hier anmeldenDie Neigung scheint mir weitverbreitet zu sein, aus der diffusen Datenlage weitreichende Schlüsse zu ziehen. So gibt es keinen Mangel an Kassandrarufen zu Wirtschaft und Börse und keine Scheu, Vergleiche mit der grossen Weltwirtschaftskrise anzustellen, die vor rund 90 Jahren ausbrach. Es ist nicht mutig, sondern waghalsig. Ob das zu guten Anlageentscheiden führt, wage ich zu bezweifeln. Mir scheint es jedenfalls das zu sein, was der grosse Friedrich August von Hayek unter dem Titel "Anmassung von Wissen" subsummierte.
Ob ich meine, dass es zu einer Weltwirtschaftskrise komme wie nach dem Börsenkrach von 1929 und der bis 1933 sich hinziehenden Baisse, werde ich in letzter Zeit immer häufiger gefragt. Dabei wird auf Artikeln hingewiesen, die in renommierten Publikationen von angesehenen Autoren veröffentlicht werden.
Die Antwort ist: Ich weiss es nicht. Es wird eines der möglichen Szenarien sein, aber nicht das einzige, und vermutlich nicht einmal das wahrscheinlichste.
Die grosse Depression jener Zeit war nicht die Folge der Börsenbaisse, sondern die Verkettung einer ganzen Reihe von Fehlentscheiden, die ihrerseits wieder zur Börsenbaisse beigetragen haben. Welche Entscheide tatsächlich fehl waren, ist teilweise auch unter Wirtschaftshistorikern umstritten. Ich halte mich an Professor Barry Eichengreen, der in seinem Buch "Hall of Mirrors" das Thema auf einer Art und Weise angegangen ist, die bereits im Untertitel zum Ausdruck kommt: "The Great Depression, the Great Recession and the Uses – and Misuses – of History". Eichengreen zählt mehrere Darstellungen auf, die sich als "Fakten" eingenistet haben die keiner wissenschaftlichen Prüfung standhalten.
Wenn schon historische Ereignisse verschiedene Interpretationen zulassen, wie soll es dann anders sein mit der Interpretation der Gegenwart und der Bildung von Erwartungen für die Zukunft? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass irgendjemand alle Fliehkräfte, die sich aus Pandemie, Lock-down, monetären und fiskalischen Massnahmen ergeben, einordnen, quantifizieren und extrapolieren kann.
Nach Eichengreen jedenfalls war der Goldstandard die Hauptursache für die Depression weil das rigide System eine angemessene Reaktion der Notenbanken auf die herrschenden Umstände verunmöglichte. Sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik 2020 sind um 180 Grad andere als vor 90 Jahren. Auch sie werden ihren Preis haben. Es wird aber nicht der Preis sein, der heute, im dichten Nebel des Geschehens, vorhergesagt werden kann.
Was soll man als Anleger tun?
Aus meiner Sicht muss man regelbasiert entscheiden. Regeln müssen da sein, die halten weil sie sich bewährt haben, und zwar sowohl in der Euphorie als auch in der Panik. Für mich stehen nach wie vor Signale aus dem Markt, in dem investiert werden soll, im Vordergrund, das heisst aus dem Aktienmarkt für Aktien, aus dem Devisenmarkt für Währungen. Die Reduktion der Komplexität ist immer oberstes Ziel, und erst recht in einem derart undurchsichtigen Umfeld wie das derzeit vorherrschende.
Essentiell sind die Informationen, die sich aus der Veränderungsrate der relativen Preise einzelner Aktien zu ihren Industrien, der Industrien zu den Sektoren, der Sektoren zum MSCI Welt sowie aufgeteilt nach Regionen und Ländern zu ihren jeweiligen meistbeachteten Indizes einstellen. Mitberücksichtigt werden auch Signale aus den kapitalgewichteten und ihnen zur Seite gestellten gleichgewichteten Indizes. Das ist heute mit der modernen Computerleistung möglich. Das alles hat zu den in vielen Newslettern dargestellten Präferenzen für Information Technology, Healthcare, Goldminen und Gold geführt, was sich bislang sehr bewährt hat. Darüber hinaus gibt es einige relativ starke Industrien in relativ schwachen Sektoren.
Sektoren und Globalisierung
Es dürfte sich mittlerweile herumgesprochen haben, dass die Sektoren die Treiber der nach geografischen Kriterien erstellten Indizes sind, und nicht umgekehrt. Wie üblich sind in Zeiten, in denen sich Aktien nicht grundsätzlich als attraktive Anlageklasse offerieren, in einer globalisierten Wirtschaft die Sektoren und nicht die Volkswirtschaften einzelner Länder die primäre Informationsquelle. Sie müssen den Ansatz für die Allokationsentscheide darstellen. Daran ändern zunächst einmal die Unkenrufe, dass sich die Globalisierung zurückbilden werde, nicht. Selbst wenn es dazu kommt, geschieht das nicht über Nacht. Es müssten neue Fabriken gebaut und in neue Produktionsmittel investiert werden, es müsste Personal ausgebildet werden, es müssten Lieferketten neu organisiert werden, es müssten Baugenehmigungen eingeholt werden, es müssten neue Tarifverträge abgeschlossen werden, es müsste noch vieles mehr geleistet werden bevor etwa der kolossale Umbau der "Weltwerkstatt" umgesetzt wäre. Abgesehen davon werden die meisten Unternehmen nach Bewältigung der aktuellen Krise andere Sorgen haben als die Umstellung ihrer Produktionsketten. Es trifft zu, dass die Börsen nicht auf das, was ist reagieren, sondern vorauszuschauen versuchen. Bislang gibt es keine Spur davon, dass sie von der Sektoren- zu einen Länderpräferenz umschalten.
Alfons Cortés
Senior Partner
Unifinanz Trust reg.
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LI-9490 Vaduz
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