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Hier anmeldenIm vierten Quartal 2019 hat die Marktbreite in allen Industrieländern und den meisten Sektoren von rund 50% auf 65%-75% zugenommen. Obwohl Ende 2019 immer noch etliche Aktien deutlich tiefer als im Januar 2018 notierten, hat das Aufwärtsmomentum der besten Titel verbunden teilweise mit ihrer hohen Gewichtung genügt, um den weitherum beobachteten Indizes einen positiven Jahresabschluss zu bescheren.
Es wäre vermessen, bereits jetzt einen Ausblick auf das ganze Jahr zu wagen. Aus meiner Sicht ist die Börse in Folge der Interaktion einer sehr grossen Zahl von Akteuren mit unterschiedlichen materiellen und intellektuellen Ressourcen, Risikotoleranzen und Zeitfenster ein zu komplexes System um Prognosen, verstanden als Vorhersagen bestimmter Ereignisse zu bestimmten Zeitpunkten, zuzulassen.
Möglich erscheinen mir jedoch Mustervorhersagen im Sinne von Friedrich A. von Hayek. Dabei handelt es sich im Wesentlichen darum, die Gegenwart auf den Punkt zu bringen und die Fortsetzung derselben anzunehmen bis sich Brüche einstellen, die eine Veränderung des bestehenden Pfades erwarten lassen. Solche Brüche stellen an der Börse Auffälligkeiten des Momentums, der Volatilität, der Umsätze und der Bedeutung dar, die Themen entgegengebracht werden. Ganz wichtig – und meistens sträflich vernachlässigt – ist die systematische Auswertung der Intensität der Kommunikation über das Geschehen im Finanzsystem in Medien, die sich nur sporadisch mit dem System befassen.
Was mir letztes Jahr sehr gut gefallen hat war die hohe Selektivität, welche die Anleger an den Tag gelegt haben. Sie haben bereits ab Januar 2018 angefangen, eine Konjunkturabkühlung zu erwarten. Als Folge davon sind die Kurse konjunktursensitiver Aktien stark zurückgenommen worden. Hingegen haben Aktien von Unternehmen, die innovativ in Produktion, Vertrieb und Produktangebot unterwegs sind, deutlich zugelegt. Nur sehr wenige Unternehmen hinter momentumstarken Aktien haben die Erwartungen der Anleger enttäuscht. Das alles zeigt, dass vom Vorhandensein einer spekulativen Blase keine Rede sein kann.
Zwei Fragen
Vor allem im vierten Quartal setzte Momentum in abgestraften zyklischen Aktien und Industrien ein ohne dass die positiven Trends vor allem in Information Technology und Healthcare darunter gelitten hätten. Nun stellen sich zwei Fragen: Was wird geschehen wenn die Erwartungen enttäuscht und was, wenn sie erfüllt werden?
Nach den starken Avancen der letzten rund drei Monate sind die Aktienmärkte reif für eine Konsolidierung. Sie wird mit oder ohne enttäuschende Unternehmensmeldungen stattfinden. Enttäuschende Unternehmensmeldungen würden sehr wahrscheinlich Aktien zyklischer Unternehmen, die nur im Sinne einer " Mean Reversion" angezogen haben, wieder in Richtung ihrer Kurstiefst des Vorjahres zurückfallen lassen. Anders für die Kurse der meisten Aktien, die hohe relative Stärke zu ihren Messlatten aufweisen: Hier würden Rückschläge sehr wahrscheinlich lediglich ein reculer pour mieux sauter darstellen. Das gilt fast ausnahmslos für Aktien von Unternehmen, die den vorherrschenden Innovationszyklus prägen.
Werden die Erwartungen erfüllt, setzt sehr wahrscheinlich das ein, was in solchen Situationen üblich ist: Die nächste positive Erwartungsrunde wird eingeläutet. Beflügelt von allen Seiten: Konjunktur, Unternehmensgewinnen und neulich erlebtem Kursmomentum werden auf breiter Front mehrmonatige Aufwärtstrends entstehen. Gekauft werden nicht nur einzelne Erfolgsgeschichten, wie vor allem bis in den Herbst 2019 hinein, sondern "der Markt", weil die vorherrschenden Umstände als grundsätzlich positiv für die Anlageklasse Aktien angesehen werden. Eine solche Konstellation hat, wenn sie eintritt, das Potential zu einer spekulativen Blase heranzuwachsen.
Wie ist der "Worst Case" vorzustellen?
Welches der beiden oben skizzierten Szenarien eintritt, bleibt vorerst offen. Andererseits habe ich eine durchaus klare Meinung über den "Worst Case". Der liegt aus meiner Warte in einer Korrektur und nicht in einem Bärenmarkt.
Seit 1960 gab es an jener Börse, die die Trends aller Aktienmärkte der Welt anführt, im wichtigsten Repräsentanten, dem S&P 500, fünf Bärenmärkte und acht grössere Korrekturen. Auf der folgenden Grafik sind die Bärenmärke in rot und die Korrekturen in blau markiert:
Die beiden Ereignisse zu unterscheiden ist von grosser materieller Bedeutung, denn nach Korrekturen wird der bislang geltende Trend fortgesetzt, gelegentlich nur für kurze Zeit bevor tatsächlich ein Bärenmarkt beginnt. Bärenmärkte stellen hingegen Revolutionen gegen das Narrativ dar, das das Rückgrat des Bullenmarktes bildete. Weil auf den Trümmern der Revolution ein neues Narrativ aus mehreren zusammenwachsenden Perzepten entsteht, dauert die Wende von Abwärtstrends nach Bärenmärkten mehrere Monate. Das neue Narrativ beginnt damit, dass Populationen mit Geist, neue Entwicklungen und Zusammenhänge zu erkennen, Geld, Trends anzustossen und Zeit, auf den Erfolg zu warten, sich antizyklisch positionieren. Erwartungen können sich jedoch nur durchsetzen wenn kritische Mitläufer mit der Zeit dazustossen und sich das Narrativ zu eigen machen.
Ganz anders verläuft das Ende von Korrekturen. Da geht es nur darum, das alte Narrativ wieder aufblühen zu lassen. Daher enden Korrekturen meistens mit einer einzigen Nachricht, die dazu dient, die Zweifel zu beseitigen, die das alte Narrativ in Frage gestellt haben.
Einen Bärenmarkt erwarte ich deswegen nicht, weil die nachvollziehbare Historie aller grossen Aktienmärkte eindeutig den Befund von Professor Didier Sornette bestätigt, dass im komplexen System Börse selbst die Voraussetzungen für Bärenmärkte geschaffen werden müssen damit exogene Ereignisse Bärenmärkte auslösen können. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Haussezyklen laufen immer gleich ab: Zuerst wird eine sinnstiftende Geschichte erfunden, dann bewirtschaftet und schliesslich ad absurdum geführt. Noch sind selbst die stärksten Sektoren, wie IT, in der Bewirtschaftungsphase. In solchen Phasen führt der Versuch, den immer wiederkehrenden Korrekturphasen auszuweichen, dazu, dass wesentliche Teile langfristiger Aufwärtstrends verpasst werden.
Alfons Cortés
Senior Partner
Unifinanz Trust reg.
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