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Hier anmeldenWas wäre der Inhalt eines Buches über meine beinahe 50 Jahre Börsenerfahrung? Ich würde darüber schreiben, dass selbst die Jahre, die sich im Nachhinein als grossartig herausstellten, im Vorhinein als von Ungewissheit und Unübersichtlichkeit geprägt eingestuft wurden. Doch stets dann, wenn sich fast alle sicher fühlten, stellten sich die grossen Überraschungen ein.
Im Newsletter Mai habe ich mich mit der Empfehlung verabschiedet, sich den Rat zu verinnerlichen, den Talleyrand seinem Kaiser gab und der lautete: «Surtout pas trop de zèle, Sire». Das schien mir nötig zu sein angesichts der Neigung, sich von den Nachrichten aus Wirtschaft und Geopolitik verunsichern und zu unnötig hektischen Handlungen verleiten zu lassen. Der Zeitpunkt dazu war passend, stellte ich doch einleitend bereits fest, die Aktienmärkte seien wohl im Begriff, eine Konsolidierung anzutreten und wies überdies darauf hin, dass sie im Hinblick auf die recht auseinanderliegenden Schätzungen der Analysten zu wirtschaftlichen Eckwerten Konsolidierungen etwas heftiger ausfallen dürften als auch schon.
Da der S&P 500 weltweit der neben dem Dow Jones Industrial Average wohl meist beachtete Aktien-Index ist, dessen grössere Bewegungen, insbesondere wenn sie nach unten ausfallen, alle anderen Indizes mitziehen, habe ich einen Abschnitt des Newsletters Mai diesem Index gewidmet. Dabei kam ich zum Ergebnis, dass der erwartete Rückschlag mit einer Unterstützung auf etwa 2'700 Punkten rechnen könne. In der Tat wurde dann am 3. Juni mit 2'728.81 Punkten der bislang tiefste Stand der Konsolidierung erreicht. Die Chancen stehen gut, dass die 2'700 Punkte nicht unterboten werden.
Kein Strich durch die Europa-Rechnung
Somit gehe ich davon aus, dass vom S&P 500 kein Unheil für andere Regionen droht. Das gibt mir Gelegenheit, auf den europäischen Aktienmarkt, wie er vom DJ Stoxx Europe 600 repräsentiert wird, einzugehen. Wie alle anderen bedeutenden Indizes auf der ganzen Welt beendete auch der Stoxx 600 im März 2009 den Bärenmarkt und setzte dann bis April 2015 zu einem Aufwärtstrend an. Seither – und das wird gerne übersehen – hat er nie wieder den damaligen Stand von 415 Punkten erreicht. Seit mittlerweile vier Jahren schwankt er zwischen 302 und 415 Punkten. In der gleichen Zeit legte der S&P 500 immerhin rund 40% zu. Die Dauer von Trends wird meistens unterschätzt, so auch die Dauer von Seitwärtstrends. Was man als primären oder Haupttrend bezeichnet, wird von mittelfristig steigenden und fallenden Trends geprägt. So auch im Falle des DJ Stoxx Europe 600, der in den letzten vier Jahren innerhalb der oben genannten Bandbreite zwei fallende und zwei steigende Trends aufwies sowie einen seitwärts verlaufenden zwischen 368 und 399 Punkten.
Europa im Weltkonzert
Eine Index-Analyse ist eine aufwendige Angelegenheit. Zunächst geht es darum, das Verhältnis mit anderen Indizes zu bestimmen. Hier geht es um die Entwicklung eines Narrativs und die Einschätzung der relativen Entwicklung zu anderen Indizes. In dieser Disziplin bin ich der Meinung, dass die relative Schwäche, die den DJ Stoxx 600 zum S&P 500 und zum MSCI Weltindex mit einem kurzen Unterbruch 2015 seit Juni 2010 kennzeichnete, ausgestanden ist. Ich gehe davon aus, dass sich der rund 20% des MSCI Welt ausmachende Stoxx 600 auf absehbare Zeit nicht mehr schlechter entwickeln wird als der MSCI Welt und S&P 500. Das spricht weniger für den Stoxx 600 als gegen MSCI Welt und S&P 500. Aus meiner Sicht werden auch diese beiden Indizes für mehrere Monate eine eher volatile Seitwärtsbewegung beschreiben und die im April erreichten Höchstpunkte für lange Zeit nicht überschreiten.
Ein Blick auf die Sektoren
Aufwendiger ist die nächste Stufe der Analyse, die darin besteht, die zu erwartende Entwicklung der Sektoren, die einen grossen Index wie den Stoxx 600 ausmachen, einzuschätzen. Das Ergebnis wurde detailliert im AKTIEN MONITOR GESAMT-EUROPA vom 5. Juni 2019 präsentiert. Ich fasse hier nur kurz zusammen: Aus keinem Sektor lassen sich Erwartungen ableiten, die für eine starke Hausse oder eine starke Baisse sprechen. Selbst angeschlagene Sektoren wie z.B. der DJ Stoxx Europe Automobiles oder der DJ Stoxx Banks lassen aufgrund ihrer technischen Profile die Erwartung zu, dass sie kein grosses weiteres Abwärts-Momentum entwickeln werden. Umgekehrt wecken die technischen Daten der stärksten Sektoren wie DJ Stoxx 600 Food & Beverage oder Utilities keine ausgeprägte Hausse-Erwartung.
Auch in Europa war Technologie, vertreten im DJ Stoxx Europe 600 Technology, bislang der stärkste Sektor. Anders als der DJ Stoxx 600 befindet er sich in einem Aufwärtstrend, der allerdings erstens konsolidiert und zweitens seinen negativen relativen Trend zum DJ US Technology Sector nicht beenden wird.
Wo winkt Rendite?
Wo liegt also Aufwärts-Potential in Europa? In ausgewählten Aktien die zum Teil seit Jahren positive relative Trends nicht nur zum DJ Stoxx Europe 600 aufweisen, sondern solche aufrecht erhalten haben auch zum MSCI Welt und zum S&P 500, wie z.B. Givaudan und der Konkurrent Symrise, um nur zwei zu nennen. Immerhin befinden sich 47% der in den verschiedenen europäischen Börsen kotierten Aktien in positiven Trends. Die Zahl ist abnehmend. Es sind jedoch diese Aktien, die verhindert haben, dass die anderen Titel, die es auch gibt und die sich in einem Bärenmarkt befinden, den DJ Stoxx 600 in die Tiefe reissen konnten. Und genau darauf setze ich weiterhin: Während der letzten vier Wochen haben sich etliche fundamentale Makrodaten verschlechtert ohne dass alle Aktien davon in Mitleidenschaft gezogen worden wären. Das liegt daran, dass die tonangebende Population an der Börse derzeit nicht Aktien kauft weil sie die Umstände für die Anlagekategorie Aktie als positiv einstufen, sondern weil sie einen Anlagenotstand haben und diesen beheben indem sie Aktien von Unternehmen kaufen die auch unter den gegebenen mittelmässigen bis vielleicht leicht negativen fundamentalen Umständen wachsen können. Wir sind mit einem Markt konfrontiert, der kein Aktienmarkt ist, sondern ein Markt von Aktien – und zwar ein Markt von Qualitäts-Aktien. Solche Phasen hat es an den Aktienmärkten immer wieder gegeben, so z.B. von Januar 1976 bis Januar 1980, innerhalb welcher Zeit sich der S&P 500 nicht unähnlich wie der DJ Stoxx 600 seit 2015 zwischen 86 und 117 Punkten bewegte, ausgeführt in zwei sekundären Abwärts- und zwei sekundären Aufwärts-Trends.
Alfons Cortés
Senior Partner
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LI-9490 Vaduz
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