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Hier anmeldenDie Marktbreite nimmt zu. Der Markt korrigiert übertriebene Abstrafungen konjunktursensitiver Aktien.
Daraus werden ein paar Umschichtungen entstehen, die sich für einige Monate positiv auf die Aktienmärkte vor allem Europas, Japans und der USA bemerkbar machen dürften. Einiges wird sich ändern, anderes wird gleichbleiben. Die wichtigste Änderung betrifft meiner Meinung nach den Industriesektor. Dazu brauche ich heute keine weiteren Ausführungen zu machen, wurde doch gerade dieser Sektor in den Aufsätzen vom 31. Oktober und 19. September behandelt.
Änderung mit Folge
Die Folge dieser Änderung wird sein, dass die relative Stärke des DJ US Growth zum DJ US Value und zum S&P 500 flach wird und gar nach unten zu drehen droht. Dieser Sachverhalt wird in der folgenden Grafik im blauen Fenster für das Verhältnis zum S&P 500 und im grünen Fenster für das Verhältnis zum DJ US Value bildlich dargestellt:
Vielfach wird die Meinung geäussert, dass damit auch die hohe relative Stärke der Aktien innovativer Unternehmen abnehmen werde. Das entspricht meiner Erwartung nicht. Die relative Stärke der Aktien innovativer Unternehmen wird weitergehen. Der Fahnenträger der Innovation, der NASDAQ-100, wird davon profitieren.
Der entscheidende Unterschied
Die Frage wird aufgeworfen, ob der NASDAQ-100 sich nicht in einer spekulativen Blase befinde. Das sehe ich so nicht. Meine Überlegungen versuche ich, anhand der folgenden Grafik zu illustrieren:
Die obige Grafik zeigt den NASDAQ-100 seit 1985. Die Periode von ganz links bis zur ersten vertikalen Linie wurde vom Wachstum der meisten NASDAQ Konstituenten getrieben, der mit der Einleitung einer neuen Ära korrelierte: Der Digitalisierung von Produktion und Logistik. Gleichzeitig stiegen die realen Einkommen und damit die Neigung zu konsumieren. In dieser Zeit veränderte sich die Gewichtung vieler Sektoren des S&P 500 deutlich. Zu den Gewinnern gehörten Unterhaltungssektoren, Gesundheit, Konsum und im Technologie Bereich insbesondere Semiconductor.
Das perfekte Minsky-Moment
Zwischen der ersten und der zweiten vertikalen Linie entwickelte sich eine veritable spekulative Blase. Eine solche wird dadurch gekennzeichnet, dass die Marktbreite unter Einbezug aller Sektoren und Titeln eines Universums abnimmt. Sie expandiert jedoch ganz gewaltig in jenen 1 bis 3 Sektoren, in denen positive Rückkoppelungen im Markt stattfinden, die das Geschehen zwischen April 1998 und März 2000 prägten. In dieser Periode wurde Geld mit der Giesskanne auf jedes Pflänzchen ausgeschüttet das neu an die Börse gebracht wurde und irgendwie mit Technologie, Medien oder Telekom in Zusammenhang gebracht werden konnte, und wenn das Geld ausgegangen war, wurde munter Kredit aufgenommen, um das Rad weiterzudrehen: Subskription jedes IPOs, nachrennen hinter jedem steigenden Aktienkurs solange die Zuordnung zu den vermeintlichen Wachstumsindustrien stimmte. So spielte sich das Geschehen zwischen der ersten und zweiten vertikalen Linie ab. In meiner Kolumne vom 2. Februar 2000 in Finanz & Wirtschaft beschrieb ich das Geschehen folgendermassen: «Innerhalb eines Jahres stieg der S&P 500 um rund 9%. Das ist einem Anstieg des Technologiesektors im S&P 500 um 61% und des Kapitalgütersektors um 6.6% zu verdanken. Alle anderen Sektoren Indizes blieben entweder stabil oder verloren erheblich, wie die Schlusslichter zeigen: Konsumgüter des täglichen Bedarfs -30%, Pharma -21%, Finanz -16%. Lediglich 25% der New Yorker Aktien schlossen 1999 auf einem höheren Jahresendniveau.» Damit wurde der perfekte Minsky–Moment geboren: Sorglosigkeit folgte einer jahrelangen Hausse, in der alles gut ging mit der Folge, dass leichtsinnige Populationen in der Weise konditioniert wurden, dass sie eine risikolose Anlagewelt annahmen.
Ein neues Narrativ
Zwischen der zweiten und der dritten vertikalen Linie wurden die vorangegangenen Exzesse korrigiert. Betrügereien, die in spekulativen Blasen immer vorkamen und wahrscheinlich auch in Zukunft vorkommen werden, flogen auf. Konkurse folgten, Bewertungen wurden zurückgefahren. Ab September 2002, bei der ersten «Kerze» hinter der dritten vertikalen Linie, startete eine neue Phase, an welcher nur Unternehmen partizipierten, die die Bereinigung seit März 2000 überlebt hatten. Das heisst: Sie waren im Kern gesund. Innovation wurde honoriert, ohne dass es zu Exzessen kam. Doch wie die Abbildung zeigt, entwickelte sich der NASDAQ-100 im Gleichklang mit dem MSCI Welt und baute keine neue relative Stärke auf. Der Grund: Ein neues Narrativ war geboren das den Kürzel BRIC trug. Das Kürzel wurde von einem Mitarbeiter von Goldman Sachs kreiert und sollte Synonym sein für kräftiges Wachstum in Brasilien, Russland, Indien und China. Die BRIC-Aktien florierten bis Juli 2008, als die grossen Indizes sich bereits in einem Bärenmarkt befanden und die Welt sich am Rande einer potenziell desaströsen Krise befand.
Die Geburt der «Schumpeter-Börse»
Es folgte die Periode von Oktober 2007 bis März 2009 zwischen der vierten und fünften vertikalen Linie, welche dem NASDAQ-100 weniger kostete als dem MSCI Welt, wie die steigende Linie im unteren Fenster in dieser Periode zeigt. Die relative Stärke des NASDAQ-100 stellte die Geburtsstunde des neuen Narratives dar, jenes der Schumpeter’schen schöpferischen Zerstörung als Haupttreiber des neuen Börsenzyklus.
Die Hausse, die im März 2009 einsetzte, und die relative Stärke des NASDAQ-100 ist vergleichbar mit der relativen Position des NASDAQ-100 zum MSCI Welt bis zur ersten vertikalen Linie. Geld wird nicht mit der Giesskanne über jedes Pflänzchen ausgeschüttet. Honoriert werden hingegen Aktien von Unternehmen mit durchaus stattlichen Bewertungen, die aber liefern. Sie liefern Gewinne, und sie liefern Produkte, die die Welt braucht. Wer nicht auf der Strecke bleiben will, sei dies in der Produktion von Gütern, Logistik oder Dienstleitungen, darf den Anschluss an die Vertiefung der Digitalisierung nicht verpassen. Somit ist zumindest der Technologiesektor einigermassen geschützt vor exogenen Einflüssen wie Handelspolitik, Rohstoffpreisen, und womöglich sogar steigenden Zinsen.
Von Brennpunkt zu Brennpunkt
Die Versuchung ist offenbar gross, allein aufgrund der Dauer und des Ausmasses des relativ starken Aufwärtstrends des NASDAQ-100 davon auszugehen, dass eine grössere Gegenbewegung eintreten müsse. Es gibt keine empirische Evidenz dafür, dass nach irgendwelcher bestimmter Dauer oder einem definierten Ausmass ein Trend brechen müsse. Die Untersuchungen von Werner De Bondt, die belegen sollen, dass einer dreijährigen Outperformance eine Rückschlagsphase folgt, kann ich mit dem besten Willen nicht folgen. Es gibt massenweise Evidenz gegen diesen Befund. Hingegen gibt es starke Evidenz dafür, dass grosse Trends nur brechen, wenn Märkte die Voraussetzungen dafür geschaffen haben. Darüber habe ich in meinem zweiten Beitrag für The Market unter dem Titel «Unter welchen Voraussetzungen eignen sich Contrarian-Strategien?» ausführlich Stellung genommen. Trends grosser Märkte verlaufen von Brennpunkt zu Brennpunkt. Der letzte Brennpunkt, der alle fünf Voraussetzungen, die im oben genannten Artikel aufgeführt wurden, erfüllte, fand im auf der folgenden Grafik grün markierten Bereich statt:
Die seitherige Entwicklung des NASDAQ-100 im Rahmen eines 20 Monate Bollinger Bandes gibt trotz des Gewinnes von rund 550% keine Hinweise darauf, dass dieser Trend, dessen «Treibstoff» das Narrativ «Schumpeter’s kreative Zerstörung» darstellt, vor seinem Ende steht. Der Grund liegt einfach darin, dass bis jetzt kein Brennpunkt erkennbar ist. Erfolgreiches Investieren besteht nicht im Versuch, Rückschlägen in einem nachhaltigen Trend auszuweichen, sondern nach einer starken Baisse in einem Brennpunkt zu kaufen und bis zum Eintritt eines Brennpunktes zu halten.
Alfons Cortés
Senior Partner
Unifinanz Trust reg.
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LI-9490 Vaduz
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