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Hier anmeldenManche mögen vergessen haben, wie ein Bullenmarkt abläuft. Die NZZ hat es am 3. April auf den Punkt gebracht: «Die Aktienmärkte zeigen sich zunehmend immun gegenüber Negativnachrichten». So laufen Bullenmärkte ab: Sie bilden einen Kern von Themen, den sie spielen, und vernachlässigen alles andere. Die Voraussetzungen für einen Markt, der ausser Geldpolitik und Innovation sich anderen exogenen Entwicklungen verschliesst, entstanden Mitte 2020. Sie wurden im Newsletter Juni des letzten Jahres unter dem Titel «Renaissance der Doppelspitze» dargestellt.
Mit den starken Avancen in Bank- und Energie-Aktien im ersten Quartal 2021 wurde die erste Phase des Bullenmarktes abgeschlossen.
In der zweiten Phase dürfte es immer wieder zu Präferenzverschiebungen zwischen den Sektoren und insbesondere Industrien kommen. Diese werden dazu führen, dass die Momentum-Divergenzen deutlich kleiner ausfallen als seit Januar 2018 zu beobachten war. Hohe Bewertungsunterschiede werden nicht völlig eingeebnet, aber reduziert werden. Das bringt europäische Aktien ins Rampenlicht.
Europa gerät in den Fokus
Europas Märkte gelten seit langem als im globalen Vergleich unterbewertet. Das kann kaum überraschen. Der DJ Stoxx 600 notiert derzeit gerade 11.3% über dem Stand von April 2015. Das war dort, wo auf der folgenden Grafik die rote vertikale Linie eingetragen ist. Erst in diesem Monat ist ein Ausbruch aus der nun rund sechsjährigen Seitwärtsbewegung gelungen. Dieser Ausbruch ist dank der darunterliegenden Marktbreite ziemlich sicher keine Bullenfalle:
In der gleichen Zeit hat der S&P 500 91.8% zugelegt, der Nikkei ist um 48.5% gestiegen und er MSCI Welt hat 59.3% gewonnen:
Derweil gab es durchaus europäische Aktien, die in der gleichen Zeit allen genannten Indizes davon liefen, wie zum Beispiel ASML, rot dargestellt:
Voraussetzung war, dass sie dem richtigen Sektor zugehörten, nämlich Information Technology, oder mit der Innovation ihrer Produkte glänzten, wie die orange in der nächsten Grafik hinzugefügte Sika:
Worin liegen die grössten Gefahren?
Die Hausse wird nicht auf Bewertungsniveaus stehen bleiben, die als «angemessen» gelten. Die grösste Gefahr besteht aus meiner Sicht eindeutig darin, sich zu sehr auf Bewertungen zu konzentrieren und sie alleine als Ausstiegskriterium eines nahen oder fernen Tages zu verwenden. Wer das tut, wird zu früh aussteigen und sich später zu höheren Kursen genötigt fühlen, wieder einzusteigen. Das mag sich dann als sehr teuer entpuppen wenn es kurz vor Ende der Hausse geschieht.
Die zweitgrösste Gefahr dürfte darin liegen, dass man anfängt, Entwicklungen eine hohe Bedeutung zuzumessen, auf die die Märkte gar nicht eingehen.
Solche Entwicklungen können im laufe der Zeit durch immer wiederkehrende Konsolidierungen in den Kursen Berücksichtigung erfahren. Aber sie können sich auch verflüchtigen, insbesondere wenn sie einen Bezug haben zur Pandemie, den zu ihrer Bekämpfung und Eindämmung verfügbaren Mitteln und ähnliches.
Die drittgrösste Gefahr wird darin bestehen, Kursrückschläge, die in allen Trends in der ganzen Geschichte der Börsen immer wieder stattgefunden haben, als den Beginn eines Bärenmarkts anzusehen. Kursrückschläge in einem Aufwärtstrend sind nie der Beginn eines Bärenmarktes. Der Beginn eines Bärenmarktes wird erst deutlich, wenn den Rückschlägen eine technisch schwache Erholung folgt.
Worin gründet dieses Marktvertrauen?
Die Antwort ist ganz einfach: Darin, dass komplexe soziale Systeme sich pfadabhängig entwickeln.
Was wir mittlerweile erleben, sind weltweit Börsen, die sich in sogenannten Lock-in-Perioden befinden. In solchen Phasen werden aus der Nachrichtenflut gewisse Elemente entnommen und zum Narrativ stilisiert. Was nicht dazu passt, wird ignoriert.
Lock-in-Perioden setzten eine starke Einheitsfront («Partei der Bullen») voraus, welche mit einer zersplitterten Gegenpartei («Partei der Bären») Transaktionen tätigt. Irgendwann bröckelt die Einheitsfront im System. Populationen aus der Partei, die das System dominiert – jetzt die Partei der Bullen – und die gerade durch ihre Dominanz den Lock-in herstellte, migrieren zur Gegenpartei. Bislang ausgeblendete Informationen erlangen Bedeutung. Damit entstehen die sogenannten Bifurkationen, die Phasen sind, in denen das System instabil wird, neue Themen zu verarbeiten beginnt und auslotet, in welche Richtung die weitere Evolution verlaufen wird. Auf Bifurkations-Phasen trifft das Diktum zu, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings über dem Amazonas einen Sturm in New York auslösen kann. In einer solchen Phase befinden sich die Aktienmärkte nicht. Sie befinden sich gerade umgekehrt in genau der Phase, die Michael Ferber in seinem Beitrag in der NZZ unter dem Titel «Geld-Flut macht Börsen immun gegen Turbulenzen» mit dem Einleitungssatz beschrieben hat, den ich weiter oben im Eingang zu diesem Text zitiert habe.
Alfons Cortés
Senior Partner
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LI-9490 Vaduz
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